Gutachten

Im Allgemeinen wird zwischen Kurzgutachten und Wertgutachten unterschieden: Das Kurzgutachten dient ausschließlich zur Versicherungseinstufung. Entsprechende Hinweise darauf, dass es nicht als Kalkulationsgrundlage im Schadenfall oder zum Verkauf ohne ein weiterführendes Gutachten zu verstehen ist, finden sich nahezu immer in den Fußnoten derartiger Gutachten. Viele Versicherungsträger akzeptieren derartige Kurzgutachten daher nur bis zu einem Marktwert von 50.000 EUR.    
 
In einem Kurzgutachten werden die Fahrzeugdaten festgehalten und die Baugruppen des Fahrzeugaufrisses des Fahrzeugs vergleichbar einem Schulnotensystem bewertet. Aussagefähige Bilder – ca. 8 bis 12 – sollen die Bewertung der Baugruppe widerspiegeln.    
 
Selbstredend werden wertbeeinflussende Faktoren – reduzierend bzw. erhöhend – sowie ggf. weitere ergänzende Zahlen, Daten und Fakten in das Gutachten mit aufgenommen. Hieraus wird ein arithmetischer Mittelwert gebildet, um eine Gesamtnote zu bestimmen. Diese Gesamtnote wird mit einem Notenspiegel basierend auf Marktbeobachtungen für den zur Begutachtung vorliegenden Fahrzeugtyp verglichen.    
 
Im Ergebnis wird dann ein Marktwert und ein Wiederbeschaffungswert im Kurzgutachten ausgewiesen: Der Marktwert stellt den Wert dar, für den das Fahrzeug auf dem Privatmarkt innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne zu verkaufen ist. Der Wiederbeschaffungswert steht für den Preis, der im Fachhandel für ein vergleichbares Fahrzeug gezahlt werden muss. Folglich sind hier die Handelsspanne des Händlers sowie die Mehrwertsteuer zu berücksichtigen.    
 
Die Kosten eines derartigen Kurzgutachten betragen im Durchschnitt ca. 200 EUR (inkl. MwSt.)    
 
Wertgutachten unterscheiden sich gegenüber Kurzgutachten keineswegs nicht nur dadurch, dass diese Oldtimer betreffen, deren Marktwert über 50.000 EUR liegt. In einem Kurzgutachten fehlen fundierte Aussagen, welche bspw. Gegenstand einer FIVA-ID Card sind, die durch die Oldtimer Sektion des ADAC e.V. nach Prüfung des entsprechenden Antrags durch einen qualifizierten FIVA ID Card-Prüfer (www.fiva-id-card.de) ausgehändigt wird. Auf den Inhalt einer FIVA-ID Card sollte daher in einem Wertgutachten Bezug genommen werden. Sollte diese nicht vorliegen, ist es zielführend, diese vor dem Wertgutachten zu erstellen, weil diese wertbeeinflussend ist.    
 
Weiter fehlen in einem Kurzgutachten belegbare Aussagen, welche bspw. die mechanischen und elektrischen Baugruppen bzw. die Qualität der Restauration in Bezug auf die Baugruppen des Fahrzeugaufrisses betreffen. Es versteht sich von selbst, dass der Oldtimer-Sachverständige ohne entsprechende Sachkunde hinsichtlich dieses spezifischen Fahrzeugtyps bzw. entsprechende Werkzeuge und Hilfsmittel diese weiterführenden Analysen und Bewertungen nicht durchführen kann.    
 
Ein Kompressionsdiagramm ist hier sicherlich ein Indikator, der aber sicherlich nicht als hinreichend anzusehen ist, um die Qualität einer Motorinstandsetzung würdigen zu können. Auch Lackschichtdickenmessungen sind sicherlich hilfreich, aber lassen nur indirekt auf die Karosseriearbeiten schließen.    
 
Rechnungen von Fachbetrieben belegen zwar die durchgeführten Arbeiten, aber nicht immer deren Qualität. Es ist daher mit dem Oldtimersachverständigen abzustimmen, welche Baugruppen detailliert zu analysieren und zu bewerten sind und welche nicht. Erfolgt keine weiterführende Analyse und Bewertung im Gutachten, ist dieser Sachverhalt – auch aus haftungsrechtlichen Gründen - entsprechend festzuhalten.    
 
Es versteht ich daher von selbst, dass aufgrund mangelnder Sachkunde ein Oldtimersachverständiger nicht für alle Marken von A wie Abarth bis Z wie Zagato gutachterlich im erweiterten Sinn tätig sein kann.    
 
So erkennt bspw. nur ein Oldtimer-Sachverständige mit spezifischen Porsche 356 – Know-how, ob die Karosseriearbeiten eines osteuropäischen Handwerksbetriebs in Bezug auf den strukturellen Aufbau korrekt ausgeführt wurden, wie die damaligen Porsche-Konstruktionszeichnungen es fordern.    
 
Eine Besonderheit bilden auch aufwendige Umbauten, wodurch auf einen (theoretischen) Wiederherstellungswert zu schließen ist. So bedarf es spezifischer Sachkunde, wenn bspw. in einen Mercedes-Benz W 113 (Pagode) u.a. der  V8-Einspritzmotor M 100 mit 6,3 Litern Hubraum der Modellbaureihe W 100 mit weiteren Änderungen verbaut wurde.    
 
Wie beschrieben kann der zeitliche Umfang für ein derartiges Wertgutachten sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig wird ein Stundensatz von mindestens 100 EUR (netto) genannt, wenn eine Orientierung am Justiz Vergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) erfolgt. Hierbei ist der zeitliche Aufwand für Recherchen und Fahrtzeiten zu berücksichtigen.    
 
Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass der Oldtimer-Sachverständige ergänzt zu den genannten allgemeinen Voraussetzungen nachweisen sollte, dass er spezifisches Marken- bzw. –typenwissen besitzt, um ein fundiertes weiterführendes Wertgutachten zu erstellen.    
 
Der Versicherungsträger kann, muss aber nicht Gutachten von allen Oldtimersachverständigen akzeptieren, insbesondere dann, wenn der Oldtimersachverständige keine weiterführende, spezifische Sachkunde nachweisen kann. Eine Vorabstimmung mit dem Versicherungsträger vor dem Hintergrund dessen potenziellen Risikos ist daher zwingen notwendig.    
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